Im Gegensatz zu den Verwendern der alltäglichen Langschrift gewöhnten sich Stenografen nicht laufend neue oder veränderte Systeme an, solange sie nicht beruflich damit zu tun hatten. Das Stolze-Schrey-System war bereits 1897 aus der Stolze- und der Schrey-Kurzschrift zusammengeführt worden. Relativ schnell gewann dieses Einigungssystem Beliebtheit, weil es relativ einfach und logisch aufgebaut ist. Im Prinzip funktioniert dieses System ähnlich wie die Gabelsberger, lediglich die Zeichen der Konsonanten unterscheidet sich in Teilen und die Vokalanzeige wird anders gehandhabt. Allgemein wirkt die Stolze-Schrey nicht so geschwungen wie die Gabelsberger, was eben an den festgelegten Zeichen liegt. 1924 wurden genau diese beiden Systeme zur Deutschen Einheitskurzschrift zusammengeführt. In der Schweiz wird die Stolze-Schrey mit kleinen Änderungen bis dato angewendet. 

Erich Mohr, Studienrat außer Dienst, schrieb 1942 noch in seiner gewohnten Stolze-Schrey, warum auch nicht. Mit seinen Freunden, die wie er in den 1900er – 10er Jahren studierten, konnte er in dieser Form wunderbar kommunizieren. Folgende Ganzsache, die er am 25.6.42 an den Theologen Theodor Siegfried nach Marburg schickte, ist ein schönes Beispiel, um den Unterschied von Stolze-Schrey und Gabelsberger bildhaft vorzustellen. Effektiv und platzsparend waren beide.

Inhaltlich vermisst man die sogenannte „christliche Nächstenliebe“. Was es für einen Berliner Mieter im Jahre 1942 bedeutete, innerhalb von 4 Tagen auf die Straße gesetzt zu werden, kann man sich nur schwer vorstellen. Schließlich standen die schwersten Bombenangriffe noch vor der Haustür. Ob es in diesem Sinne nötig war, im gleichen Atemzug auf eine ausfallende Miete für eine „Remise“ hinzuweisen, sei dahingestellt:

Lieber Theo, ich habe sowohl gestern wie heute versucht, dich telefonisch unter 3196 zu erreichen, aber keine Antwort bzw. Meldung Deines Anschlusses erreicht. Gestern rief mich Frau Kischko an und teilte mit, dass die Polizei sie aufgefordert habe, den Kohlenkeller unter dem Eingang und einen weiteren Raum zu räumen, damit der Luftschutzraum erweitert werden kann. Um die Kohle usw. aus diesen Kellern unterzubringen, haben sie sie aufgefordert, den Mietern der Remise entsprechend kurzfristig bis Sonnabend zu kündigen. Sie fragte an, was sie machen sollte. Ich sagte ihr, dass die Beschlagnahmung der Polizei anscheinend unwiderruflich und sofort angeordnet sei und dass sie der Aufforderung der Polizei nur sofort nachkommen solle, auch hinsichtlich der anderen Mieter. Einen anderen Weg sah ich nicht, sonst wäre ich mal hinten herausgefahren. Soweit ich mich entsinne, ist der anstehende Mietausfall von dem Staat zu erstatten. Ich hätte gern dies sofort mitgeteilt und Deine Zustimmung noch eingeholt. Aber Telefon hat wie gesagt leider versagt.

Für Deine beiden lieben Karten vom 8.4. und 25.5. danke ich Dir herzlich. Wie schnell die Zeit vergeht. Ich war bis kurz vor Pfingsten in München. Seit dem 8. bin ich wieder hier. Am 3.7. habe ich eine kurze Dienstreise nach Vorarlberg, Tirol und Steyermark. Anscheinend bin ich einen Tag in München. Am kommenden Sonntag bin ich mal in Guben, um alte Freunde dort zu besuchen. Ich bin froh, dass ich genügend auf dem Posten bin, um das alles durchzuhalten. Sonst geht es uns leidlich und den Verhältnissen entsprechend. Wie geht es Euch und vor allem Deiner Frau? / Herzliche Grüße, Euer Mohr                                                                                                                                                                               

12/21 Stolze-Schrey: heute noch gebräuchlich